Monday, July 17, 2006

Looptroop spricht...

Lieber spät als nie! Toller Spruch. Deswegen gibt es jetzt einen Beitrag über ein Interview mit Looptroop, das ich mit den Jungs schon vor über einem Jahr führen durfte.


Mit "Fort Europa" haben sich Looptroop einen Albumtitel ausgesucht, dessen Thema in den heutigen Tagen nicht besser passen könnte. Doch Schwedens Vorzeige-Hip Hop-Crew tourte nicht durch die hiesigen Gefilde, um allerorts eine Hymne auf das vor sich hin darbende Europa zu halten.

Wie gewohnt, sind aus dem Hause Looptroop kritische Stimmen zu hören. Das zeigte nicht nur das Gespräch mit Promoe und Embee kurz vor ihrem Auftritt im Wiener WUK, sondern das bebildert auch das farbenfrohe Cover des neusten Albums "Fort Europa". Darauf präsentiert sich Europa als eingemauerte Festung, hinter der sich dunkle Wolken und dicke Dollarbündel türmen, sowie Abwehrraketen und Kampfjets für die Sicherheit sorgen. Der jüngste Streich der Schweden besticht erneut durch musikalisches Politainment. Immerhin gelten Looptroop seit jeher als die politische Rapcrew Europas. Umso verwunderlicher ist es, dass Promoe auf die Frage, was er zur aktuellen politischen Lage der Europäischen Union sagt, verdutzt fragt, was denn überhaupt gerade los sei.

Ach ja, die Referenden in Frankreich und Holland. Die sind Promoe eigentlich ziemlich egal. Er findet es gut, dass die jeweiligen Bürger Nein gesagt haben. Er findet es gut, dass das Establishment es nicht geschafft hat, den Bürgern ihren Willen aufzuzwingen. Eine Einstellung, die Looptroop im Ganzen und Promoe im Speziellen so nicht das erste Mal auf den Punkt bringen. Der Song "Long Arm Of The Law" aus dem Jahr 2003, sowie Promoes überaus erfolgreiche Graffiti-Hymne "These Walls Don't Lie" sind nur zwei von etlichen Beispielen einer politisch-musikalischen Entwicklung, die sich - meist im Grafitti-Kontext - gegen das politische Establishment gewandt hat. Promoe ist ein politischer Mensch. Manche Großmutter würde sicher auch darauf bestehen, dass man ihm das ansieht. Mit seinen rückenlangen Dreadlocks, seinem genauso verfilzten bauchlangen Bart spricht er, gedresst im Palästina-Shirt, nach kurzen Bedenkpausen mit klarer Stimme über seine politischen Ansichten. Mit seinen Stahlblauen Augen fixiert er seinen Gesprächspartner, ohne ihn aber von seiner Meinung strikt überzeugen zu wollen. Er liefert keine empirischen Fakten, um seine Sichtweisen über ein militantes Europa oder das immer neoliberaler werdende Schweden zu untermauern. Er geht auch nicht zur Wahl. Promoe will nicht beim gleichen politischen Spiel mitmachen, das die herrschenden Politiker spielen.

Der zweite Interviewpartner - Produzent Embee - schaltet sich nur mit minimalem Aufwand ins Gespräch ein. Mit Promoes Präsenz kann der musikalische Kopf nicht mithalten. Die Rollenverteilung ist offensichtlich. Embee sucht fragend bei Promoe Hilfe, wenn er Probleme mit englischen Vokabeln hat und Promoe verlässt sich auf Embee, wenn es um Jahreszahlen oder sonstige Fakten vergangener Veröffentlichungen geht. Embee ist wohl ein Paradebeispiel für den Musik-Narr, der lieber seinen Sound für sich sprechen lässt. Deswegen hört man von ihm auch nur etwas, wenn es um die Musik geht. Die sollte in seinen Augen heutzutage auch wieder ein wenig anspruchsvoller werden. So etwas kann Embee ganz ohne schlechtes Gewissen von sich geben, denn sein kürzlich erschienendes Solo-Debüt "Tellings From Solitaria" strotzt nur so von musikalischer Offenheit und vor allem Qualität. Für die Platte gab es sogar den schwedischen Grammy, den sich Embee mit den Looptroop-Jungs bei der stocksteifen Verleihung vor der gesammelten Major Label-Fraktion abgeholt hat und die Veranstaltung nach nur 15 Minuten wieder verließ.

Hip Hop hat in Schweden auf dem kommerziellen Tonträgermarkt, mit Ausnahme eines kurzweiligen Hypes um die Jahrtausendwende, keine große Stellung. Looptroop geniessen zwar seit jeher recht großen Erfolg, ihre Chartplatzierungen sind aber noch nie groß über den Bereich der TOP 50 hinausgegangen. Trotzdem weiß Promoe, dass Hip Hop gerade überall "das Ding überhaupt" ist. In der wahren Hip Hop-Kultur, die mit der heutigen Realität wahrscheinlich nicht mehr viel gemein hat, sind Looptroop jedoch nicht mehr wie früher verankert. Promoe geht einfach nicht mehr jede Nacht raus, um Züge zu malen. Und laut Embee finden auch lange nicht mehr so viele Jams, wie noch vor einigen Jahren statt. Hip Hop habe sich einfach verändert. Das merkt man auch den Looptroop Rockers des Jahres 2005 an. War etwa die EP "From The Waxcabinet" von 1996 noch eine klassische Rap-Platte in der es auf straighten Beats hauptsächlich um die vier Säulen des Genres ging, besticht das neue Album durch einen Mix aus verschiedenen Einflüssen - musikalisch, wie auch textlich.

Als die ersten Infos über "Fort Europa" sich verbreiteten, dachten sicher viele an ein Statement von Europäern für Europa. Das Fort Europa als Gegenpart zum hegemonial bestrebten Amerika. Promoe ist sich dieser vermeintlichen Doppeldeutigkeit auch durchaus bewusst, doch nach all der Kritik an Amerika sei es auch mal an der Zeit, sich den eigenen Problemen zu stellen. Die gibt es nämlich auch in Europa. Natürlich kommen dabei auf dem Album die Amerikakritischen Stimmen nicht zu kurz. Songs wie "Hurricane George" unter Mitwirkung von Timbuktu und Chords aka The Coalition of the Willing und "Trrism" machen das unmissverständlich klar. Von ihren zahlreichen "Fuck George Bush"-Rufen, die sie in der Vergangenheit auf etlichen Touren skandierten, sind Looptroop überzeugt wie eh und je. Doch Promoe betont, man müsse sich darüber im Klaren sein, dass auch Europa eine wichtige Rolle in der Weltpolitik spielt. Seine Meinung über die europäischen politischen Akteure ist - siehe oben - bekannt.

Doch wieso beschweren sich die Schweden eigentlich? Hört man hierzulande doch überall, wir sollten es wie die Skandinavier machen: ein Schulsystem, das beim PISA-Test die besten Noten holt, ein Jahrzehntelang bewährtes Sozialsystem und die nahezu gegebene Chancengleichheit zwischen Mann und Frau (um nur ein paar Dinge zu nennen). Promoes Augen werden noch größer. Der Neoliberalismus mache auch vor Schweden nicht halt, betont er. Außerdem ist das Schul- und Sozialsystem am bröckeln. Oder ist die Frage etwa so gemeint, wieso Promoe nicht einfach mal mit dem zufrieden ist, was er hat? Na ja, als Schwede sei man einfach nie zufrieden!

Die Fans können darauf nur sagen: Gott sei Dank. Denn dieser Perfektionsdrang wirkt sich natürlich auch auf die musikalischen Tätigkeiten von Looptroop aus. Dem Perfektionismus haben die europäischen Hörer kürzlich das fulminante Crew-Album "Fort Europa" und das nicht minder überzeugende Solowerk von Produzent Embee zu verdanken.

Auf ihre Kosten kommen einige Minuten nach Ende des Gesprächs auch die zahlreichen Gäste, die sich im Wiener WUK für das Konzert des schwedischen Quartetts eingefunden haben. Fast zwei Stunden springen Promoe, Cosmic und Supreme über die Bühne, während sich Embee im Hintergrund an Turntables und Livedrums austobt. An einer hochkarätigen Live-Band, die politisch durchaus etwas zu sagen hat, fehlt es Europa trotz aller Probleme nicht. Also, kein Grund zur Sorge.

Saturday, July 15, 2006

Erykah Badu singt...

Erykah Badu - Neo Soul-Göttin und Hip Hop-Traumtänzerin - gab eines ihrer wenigen Europa-Konzerte in der Züricher Maag Music Hall und verzauberte die Anwesenden. Ein zwei Stunden-Gig, der alles hatte, um zu einem der besten Live-Konzerte zu taugen, das ich je gesehen habe: acht-köpfige Live-Band, perfekter Sound, Gänsehaut, Stagediving und eine umwerfende Erykah Badu, die ihrem Image als abgehobene Emo-Diva wahrlich nicht gerecht wurde.











"I guess I see you next lifetime..."